Alte Kanzlei
Grüner Salon












Naturprosa eines träumenden Realisten
Gottfried Keller
János Stefan Buchwardt, Sprecher
Matthias Lincke, Geigenmann
Samstag, 13. Juli 2019, 19.00 Uhr
Sonntag, 14. Juli 2019, 17.00 Uhr
Bahnhofstrasse 29, 8636 Wald/ZH
Dankenswerterweise unterstützt durch:
agkultur Wald
Exakt gedacht und gedichtet – mit dem Nationaldichter Gottfried Keller (1819 – 1890) lassen sich die Sinne für die Schönheiten der Natur und deren elementare Kräfte schärfen. Anlässlich seines 200. Geburtstags am kommenden 19. Juli widmet der Grüne Salon dem bedeutenden Zürcher Autor eine Lesung tiefsinnig ausufernder, dennoch aber kurzweiliger Art.
Dramatisch und hymnisch – die nachgelassenen Erzählungen «Das Gewitter» und «Eine Nacht auf dem Uto» werden von einer Parabel und einer Fabel umrahmt. Kellers eindrückliche Würdigung des Hochgebirges und ein bemerkenswertes Stimmungsbild rund um Blitz und Donner zeugen von Verwurzelung in der Romantik und gleichzeitiger Hinwendung zum Realismus.
Traditionsbewusst und ortsgebunden – begleitend eröffnet der profilierte Zürcher Geigenmann Matthias Lincke ein Fenster zu längst aus der Mode gekommenen musikalischen Zeiten. Heiter und fulminant instrumental erfinden sich Volksmusik und Naturbeschreibung neu und verschmelzen mit der Kulturlandschaft unserer Tage.
« … so wie du mit erneuter Fülle blühen wirst, herrliche Eiche, wenn du vom nagenden Unkraute befreit bist. Stehe fest und verachte das Unwetter, es wird dir nichts anhaben; denn solange du, Gewaltige, mit dem Gewaltigen kämpfest, bleibst du unbesiegt; aber fallen wirst du doch noch. Kleine, hinkende Menschen werden kommen, mit rostigem Eisen deine Wurzeln zerhacken und mit kratzenden Sägen deinen Stamm durchschneiden, dessen weder das Alter noch die Grösse ihnen ehrwürdig genug ist. Sie werden gleich Maulwürfen dich untergraben, bis du dich neigest, und wenn du auch einen von ihnen im Falle erdrückst, so wirst du doch fallen, nachdem du drei Jahrhunderte hindurch stummer Zeuge ihrer unsinnigen Taten gewesen bist. Dann werden Weiber und Kinder deine bezwungenen Äste zum Feuer schleppen, um ihren Frass zu bereiten, und du selbst wirst ihrer russigen Wohnung zur festen, doch verachteten und verborgenen Stütze werden oder noch drei Jahrhunderte hindurch als schlechter Pfahl unter einer Brücke dein unzerstörbares Dasein vertrauern; denn aus unvergänglichem Stoffe hat der Schöpfer deine Ringe gebaut.…»