«Ich möchte lieber nicht.» So Bartlebys Antwort. – Eine Geschichte aus einer Anwaltskanzlei in der Wall Street, gelesen in der Alten Kanzlei in Wald.
Herman Melville
János Stefan Buchwardt, Erzähler
Michael Jaeger, Klarinette
Samstag, 23. Mai 2015, 19.30 Uhr
Bahnhofstrasse 29, 8636 Wald/ZH
Dankenswerterweise unterstützt durch:
agkultur Wald
«Was sollte ich tun? Er leistete keine Arbeit im Büro – warum also blieb er bei mir? Nüchtern betrachtet, war er allmählich geradezu ein Mühlstein um meinen Hals: als Zierrat nicht zu brauchen und unerquicklich zu tragen. Und dennoch tat er mir leid. Ich bleibe hinter der Wahrheit zurück, wenn ich sage, dass ich, und zwar ausschliesslich um seinetwillen, eine Art Bedrücktheit empfand. Hätte er mir nur einen einzigen Verwandten oder Freund namhaft gemacht, so hätte ich sofort hingeschrieben und veranlasst, dass man den armen Kerl an irgend einen geeigneten Zufluchtsort gebracht hätte. Aber er schien allein, durchaus allein auf der weiten Welt. Ein Wrack mitten auf dem Atlantik.»
In einem amerikanischen Meisterwerk aus dem 19. Jahrhundert treffen ein selbstgefälliger New Yorker Notar und ein rätselhaft schweigsamer Kanzleischreiber aufeinander. «I would prefer not to!», ist alles, was Bartleby, der blasse, unauffällige Angestellte zu sagen hat. Konsequente Leistungsverweigerung wird hier auf absurd komische Weise abgehandelt. Der subversive Satz von Herman Melvilles Protagonisten ist längst in die Literaturgeschichte eingegangen. Das radikale Lebensprinzip des sanftmütigen Aktenkopisten, der gegen die Zumutungen seines gleichförmigen Arbeitsalltags aufbegehrt, gipfelt schliesslich in einer verstörenden Distanz zur ganzen Welt und zum Leben an sich.