Eine Revue mit Gedichten und Briefauszügen von Annette von Droste‑Hülshoff
Annette von Droste‑Hülshoff
János Stefan Buchwardt, Erzähler
Edmauro de Oliveira, Konzertgitarre
Sonntag, 27. Dezember 2015, 10.30 Uhr und 17.00 Uhr
Bahnhofstrasse 29, 8636 Wald/ZH
Dankenswerterweise unterstützt durch:
agkultur Wald
Brasilianische Gitarrenmusik und die Lyrik einer Westfälin – eine überraschende Kombination. Im Zentrum stehen Briefauszüge und vor allem Gedichte der deutschen Lyrikerin Annette von Droste-Hülshoff. Ihre beeindruckende Sprachwelt erfährt einen überzeugenden Brückenschlag, hin zu den nuancenreichen südamerikanischen Klängen des brasilianischen Gitarristen Edmauro de Oliveira. Stimme, Musik und Text verschmelzen zu einer besonderen Symbiose.
Meersburg den 14ten December 1843.
Was ich in meiner Einsamkeit treibe? Ich lese, beendige die Abschrift meiner Gedichte und sehe mir in der Dämmerung über den See das Abendroth an, was eigends mir zu Liebe in diesem Jahre unvergleichlich schön glüht; ich wollte, Sie könnten's mit ansehn; auch der See und die Alpen waren im September und October fast täglich mit Tinten überhaucht, von denen ich früher keine Vorstellung gehabt: alle Zacken der Alpenreihe roth wie glühendes Eisen und scheinbar durchsichtig, andre Male der See vollkommen smaragdgrün, auf jeder Welle einen goldnen Saum. Es ist mir unbegreiflich, daß ich habe ein rundes Jahr hier sein können, ohne daß nur ein solcher Moment eintrat, und jetzt war es mindestens ein um den andern Tag, und ich habe mir fast die Augen schwach daran gesehn. Ach, es ist doch eine schöne, schöne Gegend! Sie kennen sie nur noch gar nicht in ihrem beau jour. Sie sehn, die Natur thut Alles, mir an Poesie von Außen zu ersetzen, was mir in den Mauern fehlt …